Kategorien
Medien

Leistungsschutzrecht: Kritik und Krise

Das Koalitionsvorhaben eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger ist recht erfolgreich aus dem Stadium der Kritik in dasjenige der Krise eingetreten. Zeit innezuhalten: Was würde eigentlich den Verlegern ein Leistungsschutzrecht nützen?

Wenn die Verleger es nicht schaffen, die Aufmerksamkeit eines Lesers für den Volltext eines Urhebers – mit begleitendem Material wie z.B. einer Fotostrecke – ausreichend zu monetarisieren, wie sollte es dann möglich sein, dass Suchmaschinenbetreiber über das Leistungsschutzrecht einen ausreichenden Beitrag zur Subventionierung der Verleger erbringen, wenn diese nur die Aufmerksamkeit eines Nutzers für kleine Textschnipsel monetarisieren können.

Scharfe Ungarin mit Mountainbike

Konkret gefragt: Wenn sich Verlagsangebote im Netz durch Anzeigen nicht ausreichend refinanzieren lassen, wie sollte sich daran etwas substantiell verbessern lassen, wenn Suchmaschinenbetreiber die Verleger aus den Mitteln subventionieren sollen, die zuvor durch Werbeanzeigen im Umfeld von Snippets generiert wurden. Es ist ja mehr als unwahrscheinlich, dass Suchmaschinenbetreiber mit Anzeigen im Umfeld von Snippets der Verlagsangebote mehr Einnahmen zu generieren in der Lage sind, als die Verleger mit Anzeigen auf ihren eigenen Webseiten.

Und noch konkreter: Wieviel Geld verdient denn Google wirklich mit Anzeigenwerbung im Umfeld von Text-Snippets der Verlagsangebote? Eine exemplarische Google-Suche nach aktuellen Überschriften des reichweitenstärksten Online-Angebotes des Axel-Springer-Verlages

fördert zu Tage: Google wird damit nicht wirklich Geld verdienen.

Günstige Flüge

Das Gegenargument der Verlegerlobby läßt sich erahnen: Der Suchmaschinenindex sei ja quasi leer, wenn die Verlagsangebote fehlen würden. Ich will mich nicht an der Hybris der Verleger abarbeiten, denn das Argument geht m.E. in wirtschaftlicher Hinsicht fehl. Die Frage wäre ja: Mit welchen Stichwörtern generiert Google Einnahmen aus Werbeanzeigen und in welchem Umfang wird auf den Ergebnisseiten und neben den Anzeigen ein Verlagsangebot gelistet.

Zum vermutlich recht teuren Suchbegriff „Günstige Flüge“ findet sich zum Beispiel in den Suchmaschinenergebnissen auf der ersten Seite gar kein Verlagsangebot. Meine Annahme ist, dass sich auch zu anderen lukrativen Suchbegriffen in den Ergebnissen kaum Verlagsangebote finden lassen. Mag sein, dass Google gigantische Werbeinnahmen erzielt, mag sein, dass ein nennenswerter Teil der Suchmaschinenergebnisse von Verlagsangeboten stammen. Unrichtig dürfte trotzdem sein, dass ein nennenswerter Teil der Werbeeinnahmen von Google mit Suchmaschinenergebnissen von Verlagsangeboten im Zusammenhang steht. Das ist nicht nur schlicht logisch, sondern sogar schon trivial. Je interessanter und damit potentiell lukrativer ein Suchbegriff ist, umso eher finden sich eigens für diese Thematik entworfene Portale.

Abschluss der Pathogenese

Im Zuge der Entwicklung des Leistungsschutzrechts schlagen die Erwartungen der Verleger von Eschatologie zur Utopie um. Prinzipbedingtes Problem des Leistungsschutzrechts ist, dass sich die Einnahmen wiederum aus den Quellen speisen müssen, von denen sich schon die Verleger mit ihren Angeboten schon nicht ausreichend nähren können: Werbeanzeigen im Netz. Deswegen werden die Einnahmen aus dem Leistungsschutzrecht gering bleiben und deswegen ist umso wahrscheinlicher, dass die negativen Effekte des Leistungsschutzrechts – auch und gerade für die Verleger selbst – überwiegen werden.

Die Einnahmeseite eines Leistungsschutzrechtes wird sich selbst dann nicht wesentlich günstiger gestalten, wenn man den Kreis der Verpflichteten, über Suchmaschinenbetreiber hinaus, auf andere Bereiche erstreckt, wie zum Beispiel sogenannte „News-Aggregatoren“. Deren Einnahmenseite und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird ja noch bedeutend geringer sein, als es bei Google der Fall ist.

Und darum ist Keese im Ergebnis zuzustimmen – das Leistungsschutzrecht ist „unakzeptabel“, weil es nicht einmal den Nutzen bringen wird, für den es vorgeblich geschaffen werden soll. Das erkennt hoffentlich auch die Regierungskoalition.

 

Kategorien
Recht

Haben Sie schon mal nach „Sex“ gegoogelt?

Es gibt wohl im Leben eines jeden Menschen Dinge, die man getan oder erlebt hat, für die man sich – im gleichen Augenblick oder vielleicht auch erst etwas später – schämt. Wer in dieser Hinsicht eine kleine Auffrischung des eigenen Gedächtnisses benötigt, kann zum Beispiel den Assoziations-Blaster von Alvar Freude bemühen.  Zum Stichwort „Pubertätstotschämerinnerungen“ liefert der Assoziations-Blaster eine Anzahl an Erinnerungsstücken zum Miterröten.

Reale Erlebnisse haben den Vorteil, dass sie üblicherweise nur von einer geringen Anzahl an Personen erlebt werden. Und zudem ist das menschliche Gedächtnis mit der wunderbaren Fähigkeit des Vergessens ausgestattet.  So fällt das, was vielleicht ohnehin besser Ungeschehen gewesen wäre, wenigstens dem Erinnerungsverlust anheim.

Im Internet verhält es sich potentiell anders: Theoretisch kann jeder Vorgang gespeichert und einem Internetanschluss zugeordnet werden. Man möchte meinen: Gut, dass das eben nicht gemacht wird. Oder haben Sie noch nie nach etwas Verfänglichem gegoogelt (es muss ja nicht gleich „Sex“ sein)? Wer würde also schon wollen, dass dauerhaft die eigenen Suchmaschinenanfragen gespeichert und dem Anschluss zugeordnet werden.

Im Europäischen Parlament gibt es derzeit eine unscheinbare Initiative die genau darauf hinausläuft: Speicherung und dauerhafte Zuordnung der Anfragen bei Suchmaschinen. Und wieder einmal wird das Thema Kindesmissbrauch ausgenutzt, um eine politische Agenda durchzusetzen. Netzpolitik.org titelt treffend: „Mit der KiPo-Keule gegen Google„. Unter dem Blick großer Kinderkulleraugen werden die Europaabgeordneten treuherzig gebeten, die Initiative zu unterstützen:

„Jede Form von Gewalt, die (…) ein Kind erleidet, bedeutet eine unauslöschliche Niederlage für die Regeln des Zusammenlebens der Bürger. Wir wären Dir dankbar, wenn auch Du Dich wie schon viele andere Kolleginnen und Kollegen vor Dir (…)  die Schriftliche Erklärung Nr. 29 zur Schaffung eines europäischen Frühwarnsystems gegen Pädophilie und sexuelle Belästigung unterzeichnen würdest.“

Was unter diesem „Frühwarnsystem“ zu verstehen ist, verdeckt jedoch die „Schriftliche Erklärung Nr. 29“ mehr, als dass sie es offenbaren würde. Unter Ziffer 2 der Erklärung heisst es dort simpel: Rat und EU-Kommission werden aufgefordert,

„die Richtlinie 2006/24/EG umzusetzen und ihren Anwendungsbereich auf Suchmaschinen auszudehnen.“

Die Richtlinie „2006/24/EG“ ist die Richtlinie über die Vorratdsdatenspeicherung. Und die so treuherzig-kinderlieb daher kommende Initiative „Smile29“ ist nichts anders als der Versuch, die staatlich verordnete Vorratsdatenspeicherung auf Suchmaschinen und insbesondere Google auszudehnen.

Vielleicht ist es an der Zeit, die Europaabgeordneten in Ihrem Wahlkreis zu kontaktieren und diese zu bitten, die Initiative „Smile29“ nicht zu unterstützen bzw. ihre Unterstützung zurückzuziehen.

Der aktuellste Eintrag bei den „Pubertätstotschämerinnerungen“ ist übrigens kurz und knapp:

„Geht ja echt niemanden etwas an“.

Weitere Argumente zur Vorratsdatenspeicherung findet man beim AK Vorrat.