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Wer siegt im Endgame beim Leistungsschutzrecht?

Bei netzwertig.com analysiert Martin Weigert die Debatte um das Leistungsschutzrecht als eine finale Auseinandersetzung zwischen den alten Machteliten der Printpresse und der im Netz entstandenen neuen Öffentlichkeit:

„Der Versuch, das Leistungsschutzrecht durchzudrücken, ist der finale Machtkampf zwischen der alten deutschen Medienelite, die viele Jahrzehnte direkt und indirekt, durch ihre Berichterstattung und in Hinterzimmern, die hiesige Politik beeinflusst hat, und dem Internet. Springer, Burda, SZ und FAZ geht es nicht ums Geld, sondern ums Prinzip, weiterhin exklusiv die sprichwörtliche vierte Gewalt im Lande zu bleiben. Das bedeutet eben auch, widersinnige Gesetze in die Wege leiten zu können.“

Ich halte diese Diagnose für zumindest in Teilen zutreffend. Dafür sprechen ja bereits Inhalt und Wortwahl einiger Befürworter des Leistungsschutzrechts, nicht zuletzt der berühmt-berüchtigte Gastkommentar des HB-Männchens in der CDU-Fraktion. Martin Weigert folgert in diesem Machtkampf nun,

„Ein Sieg des Netzes würde alles verändern. (…) Ein Erfolg der LSR-Gegner [wäre] im Angesicht der noch immer massiven Meinungsmacht der auflagen- und reichweitenstarken Zeitungsmarken und ihrer abwechselnden Nicht-Berichterstattung sowie LSR-Lobbyarbeit unter dem Deckmantel des Qualitätsjournalismus ein endgültiges Zeichen dafür, dass eine von Unbeweglichkeit und Rückwärtsgewandtheit geprägte Bewahrer- und Kontrollmentalität in Deutschland keine breite Unterstützung mehr erhält.“

Wolfgang Michal hält das bei CARTA für einen „Allmachtsrausch“ und zweifelt,

„ob die tektonischen Verschiebungen in der Informations-Gesellschaft bereits ausreichen, um die Kraftprobe LSR erfolgreich zu bestehen.“

Danach hängt also alles davon ab, ob es der Netzöffentlichkeit gelingen wird, den Gesetzesvorschlag zum Leistungsschutzrecht in seiner derzeitigen Form zu Fall zu bringen.

Pyrit in der Glaskugel

Wagt man einen Ausblick auf die Folgen, die das geplante Leistungsschutzrecht hätte, so überwiegen – und dies nicht nur in der Netzöffentlichkeit – die negativen Folgeabschätzungen. Es geht um die Informationsfreiheit, die Gefahren für kleinere Aggregatoren und neue Start-Ups, sowie um Rechtsunsicherheit und drohende Abmahnungen bei (automatisierten) Verlinkungen. Unterstellen wir aber einmal ein positives Szenario (also ohne all jene negativen Auswirkungen), so scheint zumindest absehbar, dass das Gesamtaufkommen aus dem Leitungsschutzrecht eher bescheiden ist. „You get lousy pennies on the web“, meinte Hubert Burda. Aber das wird erst recht für das Leistungsschutzrecht gelten. Denn wirtschaftlich ist die Bedeutung von Verlegercontent für Suchmaschinen keineswegs so hoch einzuschätzen, wie es die Verleger gerne hätten und immer wieder behaupten. Der Guardian fragt sich in einem sehr beachtenswerten Artikel „Does Google really need news media content?“ und kommt zu dem Schluss:

„For Google (…)  having newspaper articles in its search system is no more than small cool stuff.“

Damit bestätigt der Guardian eine Studie aus Deutschland, demzufolge Google

„den überwältigenden Teil seines Geschäfts realisiert (…) ohne die Nutzung von Inhalten der Presseverleger“.

Die Verleger tun zumindest in der Debatte so, als sei das Leistungsschutzrecht eine Goldgrube, mit deren Ausbeutung ein Zeitungssterben in Deutschland verhindert werden könne. Wagt man einen Blick in die Glaskugel an Hand der verfügbaren Informationen, kommt man zu der Prognose, dass das Leistungsschutzrecht nur Pyrit ist; es ist Narrengold, das für die Verleger scheinbar gut aussieht und glänzt, aber doch keinen wirtschaftlichen Wert hat.

Wir Könige von Epirus

Nach der gewonnen Schlacht bei Asculum soll der König von Epirus einem Vertrauten gesagt haben: „Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!“ Das war der bekannte Pyrrhussieg. Selbst wenn das Leistungsschutzrecht in der jetzigen Form Gesetz wird, dann gibt es im Ergebnis der Auseinandersetzung – und das schon jetzt! – nur viele, viele Könige von Epirus.

Die Regierungskoalition erweckt den Anschein, als sei die durchschlagende Unterstützung für das Leistungsschutzrecht einer Art Günstlingswirtschaft am Hofe der Königin geschuldet. Wo echte politische Überzeugung bei der Union im Spiele ist, handelt es sich nur um die „Stahlhelmfraktion im Urheberrecht„, deren politische Aussicht darin besteht, die Union zu einer ländlich-provinziellen Kukidentpartei fortzuentwickeln. Für die FDP sieht es noch dramatischer aus, insofern als das Leistungsschutzrecht marktwirtschaftlichen Überzeugungen Hohn spricht; es ist, wie es in einer vom BDI unterzeichneten Erklärung freundlich heisst, „ordnungspolitisch inakzeptabel„. Wenn die FDP einem Leistungsschutzrecht gegen ihre Überzeugung zustimmen wird, ist dies nur der Schwäche der FDP und der kommenden Bundestagswahl geschuldet. So verliert Politik an Glaubwürdigkeit.

„Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten“, und von dieser Freiheit machen die Verleger beim Leistungsschutzrecht reichlich Gebrauch. Für die Glaubwürdigkeit der institutionalisierten Presselandschaft in Deutschland entwickelt sich das Leistungsschutzrecht zu dem, was der Irak-Krieg für die US-Presse war. Stefan Niggemeier spricht von „Lügen„, „Zensur“ und einer Desinformations– und Diffamierungskampagne. Ich kann ihm nicht widersprechen. So verliert die institutionalisierte Presse ihre Glaubwürdigkeit.

Aber es kann aus Sicht der Protagonisten alles noch schlimmer kommen. Wäre es nicht ironisch, wenn am Ende die erhoffte positive Berichterstattung über die Regierungsparteien ausgerechnet zur Bundestagswahl 2013 im Netz nicht mehr auffindbar wäre. Und wie, wenn Verleger und vor allem die Journalisten weiteren wirtschaftlichen Niedergang erfahren und in der Politik neuerliche Hilfe mit Verweis auf das bereits gewährte Leistungsschutzrecht versagt wird. Das wäre bitter-ironisch. Und nebenbei lenkt die Verlegerkampagne für das Leistungsschutzrecht schon jetzt von anderen, wichtigen Fragen auch noch ab.

Nein, das Leistungsschutzrecht lässt sich, wenn als Machtkampf zwischen Netzöffentlichkeit und alten Machteliten gedacht, von letzteren nicht mehr gewinnen. Es sollte aus Sachgründen alsbald beerdigt werden. Wenn, dann ist es die Ohnmacht von Verlegern und Regierungsparteien gleichermaßen, die uns das Leistungsschutzrecht bescheren wird. Wer hätte noch die Souveränität und die Kraft vom Leistungsschutzrecht aus guten sachlichen Gründen Abstand zu nehmen?