Kategorien
Netzpolitik

Prinzip wird teuer

Heinrich von Kleist hat mit „Michael Kohlhaas“ eine exemplarische Erzählung darüber verfasst, was jeder praktisch tätige Jurist zu lernen hat: „Prinzip wird teuer“. Wenn die Parteien eines (Rechts-) Streits keine pragmatischen Interessen mehr verfolgen und unter Einsatz aller verfügbaren Ressourcen um des Prinzips willen gestritten wird, dann wird die Auseinandersetzung teuer. Als besonders anfällig für solcher Art Streitigkeiten galt bisher das Nachbarrecht oder auch das Familienrecht.

Zwischenzeitlich scheinen nun aber auch im Urheberrecht die Knallerbsensträucher bestens zu Gedeihen. Mit wirren Erklärungen tun sich die Befürworter von ACTA hervor. Was nur noch deutlich wird – es geht der Verwertungsindustrie bei ACTA um’s Prinzip:

  • Der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels – neben anderen Verbänden – bezeichnen die Proteste gegen ACTA als Angriff auf demokratische Institutionen. Offensichtlich gebührt das Recht auf Teilhabe am politischen Entscheidungsprozess nur den betreffenden Unternehmen und ihren Verbänden.
  • Die Deutsche Content Allianz behauptet „alle bei ACTA zur Eindämmung von Rechtsverletzungen vorgesehenen Maßnahmen entsprechen bereits dem deutschen Schutzniveau“, nur um daraus dann umstandslos zu folgern: Deswegen solle „das Abkommen nun auch unterzeichnet werden“.  Das ist natürlich nicht nachzuvollziehen.

Auch wenn sich Tendenzen in der EU-Kommission abzeichnen, die auf einen vorsichtigen Rückzug hinweisen bleibt doch abzuwarten, ob nicht ACTA zu einer Frage des Prinzips gemacht werden soll. Die Erfahrung lehrt: Dann wird’s teuer.

Wer sich gegen ACTA engagieren möchte, kann dies zum Beispiel hier tun.

Kategorien
Netzpolitik

Netz-Greenpeace?

Die „freiwillige Freizeit-Feuerwehr“ der Internet-Aktivisten solle sich professionalisieren, findet Falk Lueke, und hat dazu einen Beitrag in der taz geschrieben:

„Derzeit eilt die freiwillige Feuerwehr der Internetaktivisten den Brandstiftern hinterher und löscht, was gerade geht. Dass es auch anders geht, hat der Umweltaktivismus gezeigt: Greenpeace, BUND oder Nabu haben feste Strukturen geschaffen, um ihn zu organisieren. Sie arbeiten erfolgreich mit den losen Bündnissen zusammen, beschäftigen Experten, die Stellungnahmen erarbeiten und politische Termine wahrnehmen, die Politik professionell beobachten und rechtzeitig Alarm schlagen.“

Thomas Stadler widerspricht in seinem Blog:

„Feierabendakteure sind für den Onlineprotest (…) wichtiger als professionelle Lobbyisten (…). Wir sind bisher besser damit gefahren, es selbst zu machen.“

Man würde sich eine schlagkräftige Gruppe professioneller Netzaktivisten im Sinne einer „Netz-Greenpeace“ wünschen und vielleicht auch deshalb mag mancher in der Debatte eher einen vermittelnden Standpunkt suchen. Ich bin jedoch offen gesagt skeptisch, ob es zum Beispiel der „Digitalen Gesellschaft, auf die Falk Lüke in seinem TAZ-Beitrag natürlich anspielt,* gelingen wird sich zu einer solchen Organisation zu entwickeln. Und ich bin skeptisch nicht trotz, sondern gerade wegen des selbst gewählten Vorbilds „Greenpeace“.

Kamele durchs Nadelöhr treiben

Greenpeace verfolgt eine Kampagnenstrategie, die darauf abzielt ein Thema in und über die klassischen Medien zu transportieren. Die Vermittelbarkeit eines Themas in den klassischen Medien ist Grundprinzip von Greenpeace-Kampagnen:

„Das Planen einer Greenpeace-Kampagne bedeutet das Planen einer öffentlichen Konfrontation.“

Bei allen bisherigen „Netz-Kampagnen“ ist die mediale Berichterstattung nur eine Folge der bereits laufenden „Kampagne“. Unter der Bedingung einer im Vorhinein planbaren medialen Konfrontation, hätte jede professionelle Organisation von einer Kampagne gegen „Zensursula“ Abstand nehmen müssen. Es ist eben nicht möglich, ein durchaus diffiziles Thema so planbar medial zu zuspitzen und zu vermitteln, dass sich aus dieser öffentlichen Konfrontation erst die Breitenwirkung der Kampagne ergibt. Wer das versuchen möchte, muss vor der eigentlichen Kampagne sperrige Netz-Themen durch das Nadelöhr medialer Vermittelbarkeit treiben.

Sterbende Orang-Utans im Regenwald

Teil der Medienstrategie von Greenpeace ist „Bearing Witness„.  Gemeint ist damit, dass der Rezipient herkömmlicher Medien allein durch das Betrachten eines aussagekräftigen Fotos zum Zeugen eines ethisch nicht zu vertretenden Geschäftsgebarens gemacht wird. Damit wird der Rezipient seinerseits zu einer moralischen Entscheidung genötigt und zum Handeln gedrängt. Deswegen schüttet Greenpeace tote Fische vor das Brandenburger Tor. Aber wo sich in der Palmöl-Kampagne der seines Lebensraumes beraubte und sterbende Orang-Utan noch eindringlich visualisieren lässt, fragt man sich, wie dies beim „Urheberrecht“ funktionieren sollte. Entfacht in einer Kampagne für Netzneutralität das Bild eines „Volksempfängers“ die gleiche emotionale Wirkung wie das Foto eines sterbenden Orang-Utans? Ich denke nicht. Technisch komplexe Sachverhalte entziehen sich einer einfachen Visualisierung.

Im Hinterzimmer

Greenpeace geht es nicht um Kit-Kat. Was Greenpeace nicht offen legt und insofern auch selten Gegenstand der Berichterstattung ist, sind die Verhandlungen im Hinterzimmer. Das letztendliche Ziel jeder Greenpeace-Kampagne ist: Wenn ihr, liebe unethisch handelnde Unternehmen und Regierungen, ein Abkommen trefft, zum Beispiel zur Reinhaltung der Nordsee und des Nord-Atlantiks, dann wird unsere Kampagne als „erfolgreich“ beendet. Deswegen kennt jeder die „Brent-Spar“, aber kaum jemand die Inhalte des 1998 in Kraft getretenen Abkommens, welches Greenpeace als den eigentlichen Erfolg der Kampagne gegen die Versenkung der Brent Spar betrachtet. Ist es denkbar, dass eine Form von „Netz-Greenpeace“ eine Kampagne als „erfolgreich“ beendet, wenn in den Hinterzimmern der Macht ein Abkommen ausgehandelt wird, dessen Inhalt niemand kennt und deswegen nicht beurteilen kann? Auch hier muss die Antwort lauten: Nein! Nur wenn die Inhalte einer Übereinkunft transparent, nachvollziehbar und akzeptabel sind, endet der Widerstand im Netz. Was zwanglos überleitet zum nächsten Punkt.

Kommandohügel der Macht

Greenpeace ist keine basisdemokratische Organisation – es ist nicht einmal eine demokratische Organisation:

„Man kann [Greenpeace] durchaus als straffe und zentralisierte, manche sagen auch autoritäre Organisation bezeichnen (…). Es gab etwa die Aussage, ‚wir sind keine demokratische Organisation, das muss auch so sein, das ist wie auf einem Schiff, wo es nur einen Kapitän geben kann, der sagt, wo es langgeht‘. (…) Es ist immer noch so, dass insgesamt nur 40 Mitglieder in Deutschland das Gesamtgeschehen von Greenpeace bestimmen. Und gemessen an der Zahl von 560.000 Förderern ist das natürlich nur eine verschwindende Minderheit.“

Die „Digitale Gesellschaft“ ist, konträr zu dem selbst gewählten Namen, nicht als breite Plattform gegründet worden, sondern bewusst mit wenigen, bestimmenden Akteuren. Das ist gemessen an dem Vorbild „Greenpeace“ nicht zu kritisieren, sondern einfach nur konsequent. Im Themenfeld Netzpolitik kann aber m.E. eine Organisation langfristig nur dann erfolgreich sein, wenn sie gerade nicht ihre eigenen Intentionen dementiert. Bei Umweltpolitik geht es um die Umwelt – bei Netzpolitik um Bürgerrechte, Meinungsfreiheit, Transparenz und Partizipation. Eine intransparente und nicht auf Partizipation strukturierte Organisation kann in diesem Themenfeld nur solange bestehen und Erfolge erringen, wie sie es punktgenau schafft, den Mainstream im Netz zu repräsentieren. Um punktgenau die communis opinio im Netz zu treffen, bedarf es bei einer Top-down Organisation reichlich Empathie oder Opportunismus oder auch nur eines glücklichen Händchens – womöglich braucht es Alles zusammen. Hinreichende Empathie, Opportunismus oder auch nur ein glückliches Händchen wäre sicher Manchem zu gönnen, wenn es um Netzpolitik geht. Aber wäre die Digitale Gesellschaft ein Unternehmen, so würde ich keine Aktie von ihr kaufen wollen. Solange jedenfalls nicht, wie es die unterstellten Attribute weniger Akteure wären, auf die ich wetten müsste.

Anspruch und Wirklichkeit

Hinter dem Wunsche einer Professionalisierung des Netzaktivismus verbirgt sich – auch insoweit wie bei Greenpeace – der Anspruch, die Netzpolitik aktiv, d.h. im positiven Sinne mitzugestalten und zu verändern. Das ist ehrenwert und verdient uneingeschränkt Zustimmung. Aber es bedürfte dafür einer gestalterischen Mehrheit – und zwar in der „offiziellen Politik“. Die Diagnose ist ja richtig. Ob bei Zensursula, beim JMStV, bei SOPA/PIPA oder jetzt ACTA und 2strikes – immer geht es „nur“ darum (und eben leider um nicht mehr), als um die Verhinderung unsinniger Vorhaben. Immer geht es nur darum zu verhindern, dass die Besitzer der Pferdedroschken das Fahren mit dem eigenen Automobil verhindern oder – wie beim Leistungsschutzrecht – zumindest zu ihren Gunsten abgabenpflichtig machen wollen. Wo bleibt da der zukunftsweisende, gestalterische Impetus in der Politik? Der Frust ist nachvollziehbar. Aber in welcher Partei, geschweige denn auf Bundesebene insgesamt, wäre denn eine gestalterische Mehrheit für eine zukunftsweisende Netzpolitik auch nur in Reichweite? Nein, wer die Dinosaurier aussterben sehen will, der muss warten. Und bis dahin energisch verhindern, dass die Gattung des homo sapiens digitalensis den herumstreunenden Raubsauriern zum Opfer fällt. Wer mehr will überfordert sich zwischen digitalem Anspruch und dem realpolitischen Jurassic Park, in dem wir leben.

Reinvent yourself

So bin ich also, um ein Fazit zu ziehen, skeptisch, was die Erfolgsaussichten einer Art von „Netz-Greenpeace“ betrifft. Gewiss, die Digitale Gesellschaft möge in unser aller Interesse bleibendes schaffen, wenn es um professionelle Netzpolitik geht. Aber man verzeihe mir die Vorneigung für das Harte, Problematische: Der, der über sich selbst hinaus schaffen will, kann so zu Grunde gehen. Deshalb wäre es klüger, die Digitale Gesellschaft nähme sich an Greenpeace kein Vorbild. Und würde sich deshalb aus sich selbst heraus neu erschaffen.

 

*Update 2012/02/19 um 20:35 Uhr Streichung im Text oben vor folgendem Hintergrund: Ich bin darauf hingewiesen worden, dass im Beitrag von Falk Lüke in der taz auf die „Digitale Gesellschaft“ nicht Bezug genommen wurde und auch „Greenpeace“ nur eines von mehreren Beispielen war.

Dieser Beitrag ist als Crosspost auch bei CARTA veröffentlicht worden. Kommentare zu diesem Artikel bevorzugt dort.

 

Kategorien
Medien

Keeses Vergütungsmodelle – Unterwegs im Schwarzwald

In seinem Blog presseschauder.de hat C. Keese einen sachlichen Beitrag zu neuen Vergütungsmodellen für digitale Inhalte verfasst. Die Quintessenz seines Beitrages lautet:

„Warum treten die meisten Produzenten heute für harte Kontrollen der Weiterverbreitung ein? (…) Weil rigide Verbreitungskontrolle heute die beste und nahezu einzige Methode ist, mit Kreativgütern Geld zu verdienen. Das bedeutet aber nicht, dass alternative Vergütungssysteme prinzipiell ausgeschlossen sind. In den Tantiemeformeln der Verlags-, Musik- oder Filmmanager steht, dass sie die Gewinne ihrer Unternehmen steigern sollen. Wenn sich ihnen Wege böten, dieses Ziel ohne strenge Verbreitungskontrollen zu erreichen, wären sie vermutlich schnell mit von der Partie.“

Die Argumentation lautet also im Kern: Strenge Verbreitungskontrolle und die damit verbundenen Folgewirkungen, z.B. das Abmahnunwesen, wären überflüssig, wenn durch anderweitige Vergütungssysteme sichergestellt ist, dass die Rechteverwerter ihre Gewinne beibehalten oder steigern können. Und so findet Keese zu seinem Thema eines Leistungsschutzrecht für Verlage zurück.

„Wenn eine deutschlandweite Flatrate für alle Verlagsinhalte mehr Geld in die Kasse brächte als die heutigen Geschäftsmodelle, würden die Verlage (…) wenig dagegen einzuwenden haben.“

Ich halte diese Argumentation für fehlgeleitet. Zunächst einmal vermag Keese natürlich nicht zu erklären, warum es diese Leistungsschutzabgabe ausschließlich zu Gunsten der Zeitungsverleger geben solle. Es wäre dann naheliegender, über eine Kulturflatrate für alle urheberrechtlich geschützten Inhalte zu sprechen. Die Argumentation hat aber m.E. vor allem einen ökonomischen Haken.

1.         Wertschöpfungsketten im digitalen Zeitalter

Vergleicht man die Wertschöpfungskette eines gedruckten Verlagsproduktes – von der Produktion über die Distribution bis zum Konsum – mit der Wertschöpfungskette eines digitalen Verlagsproduktes, dann lässt sich unschwer feststellen, dass sich die analoge Wertschöpfungskette disintegriert.

Ein digitales (Verlags-) Produkt muss nicht mehr auf teuren Druckmaschinen produziert werden. Der Datenträger (also das Buch, die Zeitung, die CD oder DVD) muss nicht mehr in körperlicher Form zum Kunden gelangen. Zeitungsausträger sind obsolet geworden. Die Distribution übernimmt das Netz und die Kosten dafür trägt sogar der Kunde, in dem er seinen Internetanschluss bezahlt. Marketing und Vertrieb übernehmen z.T. die Nutzer selbst, in dem sie Inhalte über soziale Netzwerke verteilen. Nicht zuletzt leisten auch Google und andere Plattformen hier einen wichtigen Beitrag. Und der Konsum erfolgt auf Endgeräten (PCs, Tablets, Smartphones), die der Nutzer sich (auch zu diesem Zweck) angeschafft hat.

Durch die Verkürzung und Disintegration der Wertschöpfungskette bei digitalen Inhalten verringert sich zwangsläufig der Wert der durch die Verwertungsindustrie bisher erbrachten Leistungen.

2.         Wertschätzung

Was der Kunde für ein Produkt zu zahlen bereits ist, dürfte auch durch subjektive Faktoren  bestimmt sein. Die subjektive Wertschätzung des nachfragenden Kunden wird  bei der Preisbildung eines Produktes eine nicht unmaßgebliche Rolle spielen. Unabhängig von der o.g. Verkürzung der Wertschöpfungskette ist die subjektive Wertschätzung für digitale Produkte tendenziell geringer, als für das physikalische, analoge Pendant. Warum? Nun, weil die Verwertungsindustrie selbst bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Vorteile ihrer analogen Produkt anpreist und bewirbt. Da wird die schmeichelnde Haptik eines schönen Buchrückens beschworen, der Sonntagvormittag mit Frühstücksei und Sonntagszeitung weichgezeichnet und allgemein alles was digital und unkörperlich ist, dem Schattenreich des Minderwertigen und nur Semi-realen zugewiesen.

3.         Dead end

Was daraus folgt? Es ist schlicht nicht ohne weiteres möglich, bei einer Umstellung auf ein digitales Geschäftsmodell Umsatz und Gewinn stabil zu halten, weil die Verwerter ganz simpel weniger Wertschöpfung erbringen und zudem das eigene Marketing preisdämpfend auf digitale Produkte einwirkt. Und deshalb ist Keeses Argumentation meines Erachtens nicht zu halten.

  • Verwerter widersetzen sich digitalen Geschäftsmodellen, weil sie – kurzfristig auch völlig zu Recht – Umsatz- und Gewinneinbußen befürchten müssen (dies jedenfalls solange, wie die digitalen Inhalte gegenüber Totholzprodukten keinen zusätzlichen Mehrwert aufweisen, für die der Kunde einen Aufpreis zu zahlen bereit wäre).
  • Wer verlangt, dass Vergütungsmodelle entwickelt würden, die bei einer Umstellung auf digitale Geschäftsmodelle gleichbleibenden Umsatz und Gewinn versprechen, argumentiert gegen die ökonomische Logik und möchte im Grunde auch dort bezahlt werden, wo keine Wertschöpfung mehr erbracht wird. Besonders evident ist dies etwa im E-Book Markt in Deutschland, wo die Verleger für ein E-Book annähernd den gleichen Preis verlangen wollen, wie für ein gedrucktes Buch.
  • Mit dem Leistungsschutzrecht verbinden sich – das muss man dem Beitrag von Keese entnehmen – völlig überzogene Vorstellungen, welche Einnahmen hierdurch erzielt werden sollen. Da kann einem nur Angst und Bange werden, was demnächst die Verlinkung im Netz kosten wird.

So erfrischend es zunächst klingen mag, nicht erneut mit längst entkräfteten Argumenten zum Leistungsschutzrecht konfrontiert zu werden, so muss man gleichwohl mit Bedauern konstatieren, dass Keese mit seinem Beitrag weiter auf einsamem Pfad in den argumentativen und ökonomischen Schwarzwald wandert.

Dieser Beitrag ist als Crosspost auch bei CARTA veröffentlicht worden. Kommentare zu diesem Artikel bevorzugt dort.

Kategorien
Netzpolitik

Mirko Lange, Ansgar Heveling und der Clash of Cultures

Mirko Lange von Talkabout hat auf G+ drei Postings zum Thema Ansgar Heveling, dem Gegensatz zwischen digitalem Fortschritt und analogen Bewahrern und dem „Clash of Cultures“ zwischen beiden geschrieben. Mir sind diese Postings allesamt zu chiliastisch, insofern sie auf einen apokalyptischen Endkampf zwischen Netz und „realem Leben“ fokussieren und sie sind mir in ihrem Denken auch zu antagonistisch, insofern als unvereinbare Gegensätze konstruiert werden, wie z.B. „digital“ vs. „analog“, „Fortschritt“ gegen „Bewahrung“ oder gar „Bürgerlich“ gegen „digitale Maoisten“. Da ich etwas umfangreicher antworten möchte, verblogge ich hier meine Erwiderung:

Die Art der Argumentation des Denkens in Gegensätzen, die sich dann in einem zugespitzten Endkampf entscheiden werden, folgt nicht aus der Sache heraus, sondern ist nüchternen Gesichtspunkten politischer Strategie geschuldet. Heveling hat seinen Beitrag in Verteidigung eines wie immer gearteten Verständnisses des Urheberrechts in der digitalen Welt geschrieben. Wer ihm nicht zustimmt, muss sich zu den „digitalen Horden“ und den „Maoisten“ zählen. Bei der Auseinandersetzung um das Zugangserschwerungsgesetz waren die Vorwürfe noch etwas weitergehend, im Sinne von: Wer gegen dieses Vorhaben war, verteidigte – so seinerzeit der Anwurf – als digitaler Anarchist sein vermeintliches Recht auf Freizügigkeit – vulgo: das Recht auf ungehinderten Konsum von ‚Kinderpornographie‘.

Im einen, wie im anderen Falle ist der Konflikt jedoch nicht, das „Ob“ sondern das „Wie“. Natürlich soll der Urheber eines schöpferischen Werkes eine Vergütung erhalten, die möglichst auskömmlich ist. Die Frage ist also „nur“, welches Urheberrecht in der digitalen Welt benötigt wird, um dies zu bewerkstelligen. Bei ‚Kinderpornographie‘ ging es nicht um das „Ob“ einer Bekämpfung, sondern um das dazu geeignete und sinnvolle Mittel.

Wer in dieser Konstellation sachliche Entgegnungen als digitalen Maoismus verunglimpft und den heraufziehenden Endkampf zwischen bürgerlich-rechtsstaatlichen Werten und dem digitalen Maoismus im Netz beschwört, verschleiert nur, dass es ihm in der Sache schlicht darum geht, sich einer sachlichen Auseinandersetzung zu entziehen und seine Vorstellung eines „Wie“ der Lösung ungehindert von sachlichen Einwendungen durchzusetzen.

Ich wage ein schräges und etwas despektierliches Bild: Gesetzt den Fall, ich wäre für die gesetzliche Regulierung des Schrebergartenwesens in Deutschland zuständig. Mein Vorschlag wäre nun aus Brandschutzgründen eine gesetzliche Regelung des Inhalts:

a) Schrebergärten dürfen nur nach persönlicher Identifikation betreten werden. Es ist 6 Monate lang zu protokollieren, wer Schrebergärten betreten hat.

b) Es ist sicherzustellen, dass Schrebergärten nur nach vorheriger Kontrolle, auch mit Körper-Scannern, betreten werden dürfen, um sicherzustellen, dass keine verbotenen Brandbeschleuniger in die Kolonie gelangen. Verwendet werden dürfen nur gesetzlich festgelegte Grillanzünder.

c) Zwischen jeder Parzelle ist eine mindestens 2 Meter hohe Brandschutzmauer zu errichten.

Ein solcher Vorschlag wird sachlicher Kritik begegnen, auch wenn man unterstellen darf, dass auch der letzten Laubenpieperkolonie der Brandschutz ein Anliegen ist. Ich kann mich nun der sachlichen Kritik stellen. Oder aber ich bezeichne pauschal die Kritiker als „pyromanisch veranlagte Brandschutz-Anarchisten“, denen ihre „persönliche Freizügigkeit wichtiger ist, als das Wohl und Wehe Ihrer Mitmenschen“.

Wenn ich Letzteres täte, dann doch nur, um mich einer sachlichen Auseinandersetzung zu entziehen und meine Vorstellungen ohne Rücksicht auf Lebenswelt und Befindlichkeit der tatsächlich Betroffenen durchzusetzen.

Man kann es einen „Clash of Cultures“ nennen, wenn von der Politik erwartet wird, dass sie sich mit sachlicher Kritik aus der Lebenswelt der Betroffenen auch befassen und diese berücksichtigen soll. Man kann aber auch, wenn dies nicht geschieht, das einfach „schlechte Politik“ nennen. Und wer so agiert, ist vielleicht auch ein schlechter Politiker.