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Die hohle Nuss

Googles Bildersuche und das Leistungsschutzrecht

I.

Am 29. April 2010 hat der Bundesgerichtshof sein Urteil über die Bildersuche bei Google gesprochen.

Dem Verfahren lag zu Grunde, dass die Bildersuche von Google in der Trefferliste verkleinerte und in ihrer Pixelanzahl gegenüber den auf den Originalseiten vorgehaltenen Abbildungen reduzierte Vorschaubilder zeigt (sogenannte Thumbnails). Die Klägerin im Verfahren hatte die Darstellung ihrer „Kunstwerke“ als Vorschaubilder in der Suchmaschine der Beklagten als Urheberrechtsverletzung beanstandet.

Der Bundesgerichtshof hat letztinstanzlich die Klage abgewiesen.

Im Kern der Argumentation steht, wie bei Telemedicus zutreffend ausgeführt wird, dass das Einstellen von Inhalten ins Netz ohne jede technische Schutzmaßnahme als Einwilligung dahingehend zu verstehen ist,

„dass Abbildungen der Werke der Klägerin in dem bei der Bildersuche üblichen Umfang genutzt werden dürfen.“

Der BGH folgert also aus dem Einstellen der Bilder ins Internet ohne jede technische Schutzmaßnahme, dass der Berechtigte sich damit einverstanden erklärt, dass diese Inhalte dann in typischer Weise genutzt werden dürfen:

„Ein Berechtigter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich macht, muss mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen.“

Der BGH setzt damit seine Rechtsprechung seit der Paperboy-Entscheidung (Urteil vom 17.07.2003, I ZR 259/00) konsequent fort. Bereits seinerzeit hatte der BGH geurteilt:

„Ein Berechtigter, der ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne technische Schutzmaßnahmen im Internet öffentlich zugänglich macht, ermöglicht dadurch bereits selbst die Nutzungen, die ein Abrufender vornehmen kann.“

II.

Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand beabsichtigen die Verleger unter anderem mit dem Leistungsschutzrecht ein Verbotsrecht auf die Verwendung von Textschnipseln im Internet begründen zu wollen. Darin liegt ja die besondere Gefahr für die Informations- und Meinungsfreiheit, weil insofern Verlinkung und Snippets unter Verwendung von kleinsten Textbröckchen bereits dem Leistungsschutzrecht unterfallen. Aber: Die Verwendung dieser Textschnipsel, zum Beispiel durch Aggregatoren wie Rivva, müsste ja noch immer rechtswidrig sein. Und so bestimmt zum Beispiel folgerichtig § 87g Abs. 1 a.E. des Gesetzentwurfes der Verleger, mit der entgegen der bisherigen Gesetzeslage bereits das Betrachten einer Webseite zu einer urheberrechtlich relevanten Nutzungshandlung umgewidmet wird:

„Vervielfältigung im Sinne von Satz 1 ist auch die Vervielfältigung auf einem Gerät, die zu einer nicht von der Zustimmung des Presseverlegers erfassten Darstellung auf dem Bildschirm erstellt wird.“

Wenn der BGH aber seine Rechtsprechung – wie zu vermuten – konsequent weiter entwickeln würde, dann entpuppt sich das Leistungsschutzrecht womöglich als hohle Nuss.

Jede Nutzungshandlung, die nach derzeitigem Erkenntnisstand dem Leistungsschutzrecht der Verleger unterfallen würde, ist ja nicht rechtswidrig, da die Presseverleger durch das Einstellen der Inhalte ins Netz ohne technische Schutzmaßnahmen eine Einwilligung in die „nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen“ erteilt hätten. So wird a tergo durch die vom BGH angenommene Einwilligung, das Leistungsschutzrecht ausgehöhlt.

III.

Die Rechtsprechung des BGH bezüglich einer Einwilligung in die „nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen“, kann sich durch die Rechtswirklichkeit bestätigt fühlen. Aktuell scheint es (mindestens) zwei gegenläufige ökonomische Strategien der Verleger zu geben, die exakt die Frage der Verbreitung von Inhalten ohne oder eben mit technischen Schutzmaßnahmen (Paywall) adressieren.

1. Ein Teil der Verleger setzt bewußt auf die Ausweitung der Verfügbarkeit von Inhalten im Netz ohne jede Schranke. Netzwertig.com berichtet aktuell zum Beispiel über eine offene Schnittstelle des britischen Guardian:

“Statt ihre Inhalte für sich zu behalten und ausschließlich innerhalb der eigenen Webangebote zu publizieren, öffnen Nachrichtenangebote über Schnittstellen (API) ihre Content-Datenbanken und geben Drittanbietern Zugriff auf diese.“

Ziel dieser Strategie ist es, mehr Pageviews und damit mehr Werbeeinnahmen zu geringeren Kosten zu erzielen.

2. Die exakt entgegengesetzte Strategie, die bei Mashable.com an Hand einiger Beispiele erläutert wird, läuft darauf hinaus, den Content (ganz oder nur in Teilen) hinter eine Paywall zu stellen und den Abruf kostenpflichtig zu machen.

Im einen wie im anderen Falle entscheidet sich aber der Verleger ganz bewusst dafür (oder eben dagegen), die Inhalte ohne technische Schutzmaßnahme in das Netz zu stellen und damit für die üblichen Nutzungshandlungen (Abruf, Verlinkung, Snippets) freizugeben (oder eben auch nicht). Der BGH hat rechtsempirisch betrachtet keine Veranlassung seine Rechtsprechung aufzugeben.

Fazit:

Bei der Abfassung eines Gesetzestextes wird auf das Bundesjustizministerium die wenig dankbare Aufgabe zukommen, die Rechtsprechung des BGH seit der Paperboy-Entscheidung und jetzt wieder bestätigt durch die Entscheidung zu Googles Bildersuche in der einen oder anderen Art und Weise zu kassieren. Ansonsten wird sich das Leistungsschutzrecht als hohle Nuss herausstellen können. Was das Leistungsschutzrecht gesetzlich zu verbieten vorgibt, sind ja alles Nutzungshandlungen, die nach der Rechtsprechung des BGH durch eine Einwilligung der Verleger selbst gedeckt und damit rechtmäßig sind.

Noch besser aber wäre es, der Gesetzgeber nähme von dem Vorhaben insgesamt Abstand. Noch ist ja die Entscheidung über ein Leistungsschutzrecht nicht getroffen. Auch die hohlste Nuss will aber erst noch geknackt sein.

Dieser Beitrag ist als Crosspost auch bei CARTA veröffentlicht worden. Kommentare zu diesem Artikel bevorzugt dort.

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Medien

Neue Sachlichkeit

Ambrose Bierce hat einmal formuliert, „beten heiße darum zu bitten, dass die Gesetze des Universums wegen eines einzigen, eingestandenermaßen unwürdigen Bittstellers außer Kraft gesetzt werden.“ Inzwischen scheint man auf Verlegerseite in Sachen Apple und iPad Apps vom Beten Abstand zu nehmen. Die anfängliche Begeisterung der Verleger ist einer geboten kritischen Betrachtung gewichen.

Heise berichtet, die Verleger würden wegen der strengen Kontrolle der Inhalte auf dem iPad durch Apple nun das Gespräch mit Steve Jobs suchen. Offensichtlich wollen sich die Verleger nicht zu Inhaltelieferanten von Apples Gnaden degradieren lassen und kritisieren die „Zensur“, die Apple auf dem iPad ausübt.

Marcel Weiss berichtet zugleich in seinem Blog Neunetz.com darüber, wie andere Apps den Verlegern das Wasser abzugraben drohen, weil für die Inhalteproduktion – so der Kern des Beitrags – „natürlich auch auf dem iPad die nahezu gleichen Marktdynamiken zutreffen, wie man sie im Netz antrifft.“ Und er ergänzt:

„Der einzige wesentliche Unterschied liegt in Apples zentralisiertem Ansatz mit anhängendem Zulassungs-Prozess für den Appstore.“

Unterdessen berichtet Focus Redakteur Torsten Kleinz über die technischen Rückentwicklungen, die die Hardwarehersteller, wie zum Beispiel Apple, vollziehen, um den Stand bereits erreichter technologischer Freiheiten zurückzuschrauben. Inhaltlich geht es natürlich darum, die Kontrolle, „die Apple über sein Produktuniversum hat, (…)  immer wieder in klingende Münze“ umzusetzen.

Vielleicht hilft demnächst den Nutzern und Konsumenten nur noch Beten.

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Netzpolitik

Mayhill-Fowler, Kubicki und die Netzsperren

Mayhill Fowler ist eine in den USA bekannte, ja inzwischen berühmte Bürgerjournalistin. Im Wahlkampf von Barack Obama hat Mayhill Fowler auf einer kleinen Veranstaltung notiert, dass Obama über die verbitterten (weißen) Amerikaner des Mittleren Westens geäußert hatte, diese würden sich in ihrem Frust an „Waffen und Religion klammern“. Über ihr Blog verbreitete Mayhill Fowler die Nachricht und die Äußerung wurde zu einem Politikum im Wahlkampf.

Dahinter steht kein singulärer Vorgang. Die digitalen Medien bieten vielfältige Möglichkeiten selbst zum Berichterstatter und Verbreiter von Nachrichten zu werden. Das gilt selbstverständlich und erst recht für politische Vorgänge [1].

So ist es auch kein Wunder, dass die prominenteste Befürworterin von Netzsperren, Ursula von der Leyen, ihrerseits ein kleines Mayhill-Fowler-Erlebnis hatte. CARTA kommentierte seinerzeit ein Video über eine Wahlkampfveranstaltung der Ministerin mit den Worten, dass „Ursula von der Leyen (…)  noch immer bereit ist, mit dem Thema Kinderporno-Sperren polemisch und in Rage Wahlkampf zu betreiben.“ Und brachte auch die zentrale Erkenntnis auf den Punkt:  „Es zeigt zugleich, wie sich die Mechanik der öffentlichen Debatte verändert hat.“

Wolfgang Kubicki, der Fraktionschef der FDP im Schleswig-Holsteinischen Landtag, muss sich also nicht grämen. Er ist jetzt in bester Gesellschaft. Hendrik Wieduwilt, seines Zeichens Blogger und freier Journalist, berichtet  über ein erlesenes Zusammentreffen im „‚Kieler Kaufmann‘ im schmucken Villenviertel Düsternbrook“ anlässlich dessen zur Sperrung von ausländischen Glücksspielangeboten im Internet folgendes geäußert wurde:

„Schleswig-Holstein will (…)  Zugangsblockaden gegen illegale [Glücksspiel-] Angebote im Internet einführen. (…) Access Blocking! Und das sickert nun auch nach Schleswig-Holstein durch, wie Kubicki etwas gepresst bestätigt – eigentlich wolle er nämlich ’noch nicht zu viel verraten‘, der Gesetzentwurf der Regierungsparteien soll am 9. Juni in Berlin präsentiert werden. Aber eine Rechtsgrundlage für Sperrverfügungen wie in Dänemark werde es geben.“

Es kam, wie es kommen musste: Wolfgang Kubicki hat so via Blog von Hendrik Wieduwilt und einem Beitrag bei Telemedicus eine politische Bombe gezündet, deren Schockwellen sich über Twitter im Laufe des Tages entsprechend verbreiteten. Die Splitter und Querschläger dieser Bombe wird jetzt nicht zuletzt auch die FDP in Berlin abbekommen. Die FDP wird schwerlich auf Bundesebene in Berlin Netzsperren im Kampf gegen Kinderpornographie ablehnen können, nur um auf Landesebene im fiskalischen Interesse an einem staatlichen Monopol auf die Ausbeutung der Spielsucht eben jenes Instrument gutzuheißen. Einen solchen politischen Spagat in der netzpolitischen Argumentation wird die FDP nicht plausibel machen können.

Die Kritiker des Zugangserschwerungsgesetzes müssen sich indessen auf der ganzen Linie bestätigt fühlen.

Und nebenbei bemerkt: Gibt es womöglich tiefsinnige Hintergedanken, warum die aktuelle Forderung, das Netzsperren eben kein Instrument des Jugendschutzes nach dem JMStV sein dürfen, in der Politik so wenig Gehör findet?

[1] Einen lesenswerten Überblick findet man zum Beispiel bei: Moorstedt, Jefffersons Erben – Wie die digitalen Medien die Politik verändern, Frankfurt 2008. Buchbesprechung beim Perlentaucher.

[Update] Die FDP Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein hat inzwischen eine Pressemitteilung herausgegeben. Darin wird Wolfgang Kubicki wie folgt zitiert:

„Internet-Sperren seien aber seiner Ansicht nach keine sinnvolle Lösung, um illegale Angebote zu verhindern. Eine entsprechende Regelung sei im Gesetzentwurf zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages daher nicht vorgesehen, so Kubicki.“

Interessant ist, dass Kubicki damit nicht dementiert, die Äußerungen, wie von Hendrik Wieduwilt zitiert, ursprünglich  getätigt zu haben. Dazu passt auch die Kommentarlage bei Netzpolitik.org. Das angebliche Dementi der FDP ist also ein sogenanntes Non-denial denial. Darauf weisst jetzt auch in einem neuen Blogbeitrag Hendrik Wieduwilt hin. Sein Fazit:

„Offenbar nimmt die FDP nun allerdings von ihrem Vorhaben Abstand – und das wäre nach allen bisherigen Erfahrungen mit Access-Blocking eine gute Nachricht. Dass die liberale Partei das aber nicht ausdrücklich so sagt, sollte eigentlich niemanden wundern.“

Alles spricht dafür, dass die Überschrift dieses Blogbeitrages ihre Berechtigung behält: Wolfgang Kubicki hat Bekanntschaft mit Mayhill Fowler in der Person von Hendrik Wieduwilt gemacht.

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Medien

Kein Herz für Blogger

Der bei iRights geleakte Entwurf für ein neues Leistungsschutzrecht der Presseverleger schlägt – wie zu Erwarten – hohe Wellen. Neben einer ersten Analyse bei iRights selbst, gibt es bereits sehr detaillierte Kritik an den Vorschlägen für dieses Gesetz. Im Kern der Kritik steht natürlich, dass eine solche Zwangsabgabe und der damit verbundene Aufbau einer neuen GEZ für Verleger alles andere als eine marktkonforme Lösung für eine Branche ist, der es sowieso gar nicht schlecht geht – sich aber das Leistungsschutzrecht über die Monopolisierung von Textschnipseln zugleich als  organisierter Angriff auf die Informationsfreiheit darstellt.

Daneben ist aber auch bereits die berechtigte Frage aufgeworfen worden, ob denn Blogger als „Verleger“ im Sinne des geleakten Gesetzentwurfes anzusehen seien. Legt man die Fassung des Gesetzentwurfes der Verleger zu Grunde, müsste man die Frage wohl verneinen. Sei es, dass es an einer „redaktionellen Festlegung“ des Presseerzeugnisses fehlt oder aber eine hinreichende „wirtschaftliche und organisatorische Leistung“ die Qualifikation als „Presseverleger“ im Sinne des Entwurfs ausschließt. Spannend aber ist hier insbesondere auch die Position von Ver.di und des DJV. Denn der Entwurf vermerkt an dieser Stelle als Position der beiden Gewerkschaften:

„Nicht als Presseerzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes gelten Telemedien.“

Was also im Entwurf der Presseverleger noch einigermaßen wortreich im wahrscheinlich gleichen Sinne erledigt wird, findet sich bei den Gewerkschaften Ver.di und DJV mit kalten Worten wiedergegeben: Blogger sollen keine Presseverleger im Sinne des Leistungsschutzrechts sein.

Und an der Stelle ist jede Verwunderung berechtigt. Wen vertreten die Gewerkschaften hier eigentlich noch, wenn sie zum Beispiel freiberuflich bloggende Journalisten nicht in den Genuss eines Leistungsschutzrechtes kommen lassen wollen, welches sie aber  sonst zu Lasten der Allgemeinheit den „Presse-Verlegern“ einzuräumen willfährig sind.