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Verdi singt (k)ein neues Solidaritätslied

Was am Freitag – je nach Sichtweise – nach einem gelungenen Coup für die Rechteverwerter, beziehungsweise einem echten Problem für die Gewerkschaften im digitalen Zeitalter aussah, ist noch einmal knapp an einem Fiasko für alle Beteiligten vorbeigeschrammt. Die ominöse Pressekonferenz mit dem Titel “Diebstahl geistigen Eigentums im Netz: 5 vor 12 für die Kreativwirtschaft” hat stattgefunden, ohne dass eine der Parteien ihr Gesicht verloren hätte.

Bei den Rechteverwertern gab es wenig Neues zu erwarten. Dieter Gorny scheint etwas von „digitalem Maoismus“ gemurmelt und sich im Übrigen gewohnt unverständlich geäußert zu haben. Ansonsten wurde noch die Forderung nach einem „Two-Strikes“- Modell erhoben. Heise berichtet:

“ ‚Wir wollen ein Warnmodell etablieren‘, betonte Alexander Skipis vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels.  Nutzer sollten bei rechtswidrigen Filesharing-Aktivitäten zunächst zweimal gewarnt werden. Dann solle die bis jetzt übliche zivil- und strafrechtliche Verfolgung einsetzen. Für dieses ‚Two-Strikes‘-Modell sei neben der Kooperationsbereitschaft der Provider auch ein gesetzlicher Rahmen nötig. Bestandsdaten ertappter Nutzer sollten quasi ‚in Echtzeit‘ vom Zugangsanbieter abgefragt werden.“

Bei Ver.di schien dies nicht auf Zustimmung gestoßen zu sein. Die Gewerkschaft wollte sich wohl nicht in die Front der Scharfmacher beim Urheberrecht einreihen. So ist es zumindest einem bei Metronaut wiedergegebenen Statement zu entnehmen:

„Auf die Frage, ob ver.di  2- oder 3 Strikes ablehne, antwortete Bleicher-Nagelsmann, dass ver.di beides ablehne. Des weiteren sei die heutige Pressekonferenz kein Auftakt eines Bündnisses: ‚Wir haben darüber diskutiert, ob es eine gemeinsame Position geben kann, die wir hier präsentieren können. Wir haben festgestellt: es gibt diese nicht. Deswegen gibt es auch kein Bündnis.‘ “

Ver.di scheint also insoweit kein neues Solidaritätslied mit der Verwertungsindustrie zu singen. Gleichwohl forderte auch Ver.di ein „stärkeres Urheberrecht“. Zu welchem Zweck und mit welchem konkreten Inhalt blieb scheinbar offen. Spreeblick verweist aber zu Recht auf den offenen Widerspruch zu der Kampagne „Global Union Campaign Against Digital Theft“ hin. Dort ist noch das komplette Folterinstrumentarium der Verwerter genannt: „Reduction in bandwidth, blocking of websites, suspension of internet access.“

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Gewerkschaften und digitale Gesellschaft

Ein etwas ungewöhnlicher Vorgang: Der Bundesverband der Musikindustrie lädt auf dem Briefkopf der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di zu einer Pressekonferenz. Thema laut Einladung ist „Diebstahl geistigen Eigentums im Netz: 5 vor 12 für die Kreativwirtschaft“. Die Einladung selbst verspricht keine Neuigkeiten. Aber Schlagzeilen werden vielleicht doch produziert werden.

Der Gewerkschaft Ver.di ist dies jedenfalls bereits im Vorfeld gelungen. CARTA hat mit einem offenen Brief an Ver.di geantwortet: „5 vor 12 für ver.di – Wo steht die Gewerkschaft beim Urheberrecht?“ Wir dürfen auf die Antworten gespannt sein.

Interessanterweise ist Ver.di mit gleich zwei Vertretern in der Enquete „Internet und digitale Gesellschaft“ vertreten.  Womöglich gibt es die Gelegenheit das Themenspektrum der Enquete um „Gewerkschaften und die digitale Gesellschaft“ zu erweitern. Netzpolitik.org kritisiert: „ver.di hat eine Werbekampagne gestartet, um sich bei Internet-Nutzern nachhaltig unbeliebt zu machen.“

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Netzpolitik

Liberale Vernunft und autoritäre Polemik

Blankes Entsetzen! Am heutigen Tage ist ein Interview mit Cecilia Malmström erschienen. Jener EU-Kommissarin, die wegen ihres Richtlinienvorstosses zu Gunsten von EU-weiten Netzsperren inzwischen den Beinamen „Censilia“ trägt.

Kaum verwundert war ich über das Veröffentlichungsorgan – die FAZ natürlich, die bereits im Januar, den Rollback in Sachen Netzsperren und Zugangserschwerungsgesetz eingeläutet hatte. Meine Erwartungen waren also gering, aber sie wurden tatsächlich nicht nur unterboten. Vielmehr war ich entsetzt darüber, wie anstatt der erwarteten Rudimente liberaler Vernunft eine brachial-autoritäre Polemik tonangebend war, die nur einem Zweck zu dienen scheint: Rational begründeten Widerspruch gegen Netzsperren zu marginalisieren und letztlich mundtot zu machen.

Zu den harmloseren Vorwürfen gehört zunächst, dass Censilia Malmström Gegnern ihres Vorschlags vorwirft, „sie hätten die „Richtlinie gar nicht genau gelesen“.   Und sie verwahrt sich gegen die Frage, ob sie ein „Zensursystem wie in China errichten“ wolle:

„Diese Anschuldigung ist unglaublich! (…) Ich werde als chinesische Diktatorin verunglimpft.“

Auch wenn es Frau Malmström nicht gefällt – ihr eigener Vorschlag läuft doch gerade darauf hinaus, dass in der gesamten EU ein System zur inhaltlichen Filterung des Internet installiert wird. Welche Kollateralschäden dies im Zweifel produzieren kann, zeigt das aktuelle Beispiel von Save the Children. Und vom Problem des Overblocking völlig legaler Inhalte mal abgesehen: Wer wollte wirklich darauf vertrauen, dass die Technik nicht auch zu anderen Zwecken genutzt wird. Wenn auch die Fragestellung selbst polemisch war (der Redakteur Stefan Tomik überspitzt die Frage, um eine gute Vorlage zu liefern, gegen die sich dann Malmström empört und beleidigt verwahren kann), so bleibt auch richtig – wir sind nicht in China und dürfen die, die an der Macht sind, kritisieren. Das wird sich auch Malmström gefallen lassen müssen.

Nach diesen aber eher noch harmlos-pikierten Invektiven hat sich Malmström dann warmgelaufen und behauptet u.a. (und das meiste wahrscheinlich wider besseren Wissens),

  • dass man das Problem des Overblocking legaler Inhalte nicht als Einschränkung der (Informations-) und Meinungsfreiheit verstehen könne,
  • die fraglichen Seiten in Ländern lägen, mit denen die EU nicht kooperiert [Anm.: Mit den USA nicht kooperieren – darüber würde man sich bei ACTA freuen],
  • die USA beim Löschen ineffektiv seien und
  • nur Fachleute DNS-Sperren umgehen könnten.

Und der schönste Moment der Polemik ist erreicht, wenn Censilia Malmström die Anleitungen zur Umgehung von DNS-Sperren bei Youtube mit „Anleitungen zum Bombenbau“ vergleicht.

Man hätte von einer angeblich liberalen Politikerin erwarten dürfen, dass sie wesentlich mehr Verständnis dafür hat, wenn sich Bürger frei von staatlicher Beeinflussung und – bei Nutzung von Verschlüsselungstechniken – frei von staatlicher Observation im Netz bewegen wollen. Man sollte auch erwarten, dass die Probleme des Overblockings legaler Inhalte ernster genommen würden. Und als zuständige Kommissarin könnte sie sich langsam auch mal mit dem Problem auseinandersetzen, dass Netzsperren Täter vorwarnen und schützen können.

Von alledem war keine Spur in dem Interview zu bemerken. Censilia Malmström hat sich entschieden – gegen liberale Vernunft und für autoritäre Polemik. Die FDP wird sich an diesem Vorbild gewiss nicht orientieren wollen. Und mir scheint: Auch in der CDU gibt es zwischenzeitlich viele, die sich nicht auf ein so niedriges Niveau begeben würden.

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Medien

Qualitätsjournalismus-Verleger – Hilft nur noch beten?

Es gibt Tage, da kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Es sind dies Momente, wo das unfreiwillig Komische mit dem zeitlich Überraschenden oder Unerwarteten koinzidiert.

In dieser Woche hat sich wieder Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG zu Wort gemeldet. Wir erinnern uns. Der Axel Springer Konzern hat in diesem Jahr ein gutes Konzernergebnis erzielt und dabei insbesondere Umsatz und Gewinn im digitalen Umfeld gesteigert. Nichts destotrotz tingeln seit Monaten die Lobbyisten der Verleger und insbesondere auch von Axel Springer durch die Lande und fordern per Leistungsschutzrecht eine neue Abgabe auf Internetanschlüsse. Heise berichtet:

„Keese [Cheflobbyist der Axel Springer AG] zeichnete ein düsteres Bild des Online-Journalismus in Deutschland. Alles in allem machten deutsche Verlage mit ihren journalistischen Online-Angeboten gerade einmal 200 Millionen Euro Umsatz. ‚Das ist kein gutes Geschäft. Man kann mit Journalismus im Internet derzeit nicht verdienen.'“

Es bleibt natürlich offen, wie sich dieses Jammern und Wehklagen mit dem guten operativen Ergebnis der Axel Springer AG auch und gerade im Internet verträgt. Wie dem auch sei –  am Dienstag, den 06.04. meldet sich jetzt Mathias Döpfner mit folgender Lobpreisung von Apples iPad zu Wort:

„Ich denke, dass sich jeder Verleger dieser Welt einmal am Tag hinsetzen und beten sollte, um Steve Jobs zu danken, dass er die Verlagsindustrie rettet“.

Also, die Verlagsindustrie wartet offenbar seit Jahren darauf, dass Steve Jobs das Apple iPad auf den Markt bringt, um die Verlagsindustrie und den Qualitätsjournalismus zu retten. Wie bitte?

Angesichts dieses Gesamtbildes verwundern die Äußerungen von Mathias Döpfner doch. Je erfolgreicher Apple wird, desto mehr begeben sich die Verleger mit iPhone/iPad Applikationen in eine babylonische Gefangenschaft.

Und die Pointe: Die Applikation des Springer Verlages für das iPad funktioniert nicht einmal besonders gut. Bei netzwertig.com lautet das Resümee:

„Insgesamt muss man der ‚Welt‘-App in der heutigen Form leider das Prädikat ‚unbrauchbar‘ verleihen. (…) Die offensichtlich hinter der Applikation steckende Grundmentalität, einfach die gedruckte Zeitung eins zu eins aufs iPad bringen zu wollen, ist desaströs.“

Man ist angesichts dessen geneigt, die Äußerungen von Döpfner als subtile Form der Selbstkritik zu verstehen. Zur Rettung der Verleger von Qualitätsjournalismus hilft offensichtlich auch nach deren Meinung nur noch: Beten.

Lichtblick: Gruner & Jahr misstraut offensichtlich Apple und setzt auch auf des Konkurrenzprodukt WePad von des deutschen Anbieters Neofonie. Das WePad läuft mit dem Betriebssystem Android von – Google.

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Netzpolitik

Schützt Save the Children vor dem STOPP-Schild

Wie heute bekannt wurde ist die Webseite des Kinderschutzvereins „Save the Children“ Finnland dazu benutzt worden, auf kinderpornographische Inhalte zu verlinken. Der finnische Netzaktivist und Zensurgegner Matti Nikki berichtet, dass über die Kommentarfunktion in älteren Beiträgen der Webseite über Monate hinweg auf entsprechende Inhalte verlinkt worden sein soll (Blogbeitrag in englischer Sprache).

Möglicherweise hat ein nicht ausreichender Spamschutz für die Kommentarfunktion beziehungsweise eine veraltete Forensoftware es ermöglicht, diese Links ausgerechnet auf der Seite des Vereins „Save the Children“ zu platzieren. Besonders pikant: „Save the Children“ gehört in Finnland, wie aber auch in Deutschland zu den Befürwortern von Netzsperren im Kampf gegen Kinderpornographie. Nach dem Zugangserschwerungsgesetz würden auch die Seiten, die die Verlinkung, aber nicht die Inhalte selbst enthalten, von den Sperren erfasst. So hätte also in diesem Falle die finnische Seite des Vereins „Save the Children“ in Deutschland ein virtuelles STOPP-Schild dekoriert.

Es gibt aber m.E. auch Grundsätzliches anlässlich dieses Falles zu bemerken:

  • Ein Konflikt zwischen Informations- und Meinungssfreiheit und dem legitimen und gebotenen Kampf gegen Kinderpornographie im Web besteht dort, wo – wie in oben genanntem Beispiel – völlig legitime Inhalte durch Sperren blockiert werden. Mit dem Zugangserschwerungsgesetz wären ja alle Inhalte des Kinderschutzvereins und nicht nur die verbotene Verlinkung durch das STOPP-Schild gesperrt. Dieser Konflikt wird im Übrigen nicht dadurch gelöst, dass man ihn wie Censilia Malmström polemisch wendet.

    „Beim Thema Reglementierung des Internets werfen Bürgerinitiativen zu Recht die Frage nach der freien Meinungsäußerung auf. Bilder von Kindesmissbrauch können jedoch unter keinen Umständen als legitime Meinungsäußerung gelten.“

    Solche Äußerungen sind bestenfalls polemische Verzerrungen des eigentlichen Problems, schlimmstenfalls jedoch Anzeichen für eine ziemlich dunkle Ecke im Oberstübchen.

  • Außerdem: Wer wirklich präventiv und zugleich effektiv gegen die Verbreitung von Kinderpornographie im WWW vorgehen will, der muss das Thema Sicherheit des eigenen PC vor Viren/Trojanern und Absicherung von Webhostingaccounts in den Blick nehmen. Wie der aktuelle Fall zeigt sind es ja bei der im Untergrund arbeitenden Pornomafia vor allem gehackte PCs und Webhostingaccounts, die als Mittel zur Verbreitung genutzt werden. Aber zugegeben sei, solche Mittel und Maßnahmen mögen in der Prävention langfristig erfolgreicher sein, sie versprechen dem BKA aber weder eine Aufgabe bei der Kontrolle über das Netz noch einschlägigen Politikern eine besonders glänzende Profilierungsmöglichkeit.

Man kann beides schützen: Informations- und Meinungsfreiheit im  Internet und Kinder. Auch zugunsten des Vereins „Save the Children“.

[Update: Beim Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur gibt es jetzt eine deutsche Übersetzung des Ursprungsbeitrags. ]